Auf der 13. Digitalisierungskonferenz wurden am 11. Mai Ideen und neue Konzepte ebenso aufgezeigt wie die derzeitigen Herausforderungen zur Digitalstrategie.
Die im letzten Jahr in Sachsen-Anhalt neu gewählte Landesregierung hat mit der Bündelung aller Digitalisierungsthemen im neu geschaffenen Ministerium für Infrastruktur und Digitales eine wichtige Strukturentscheidung für die Umsetzung der vielfältigen digitalen Themen in allen Ministerien getroffen. Neben der laufenden Umsetzung von bereits vorhandenen Digitalaktivitäten arbeitet das Ministerium an einer Digitalstrategie für das Land.
Im Spannungsverhältnis zwischen ‚sofort machen‘ und ‚an einer Digitalstrategie arbeiten‘, trafen sich nun am 11. Mai Digitalexperten und digitale Anwender auf Einladung des Wirtschaftsrat der CDU e.V. Sachsen-Anhalt, des Cluster IT Mitteldeutschland e.V., des Innovationsbündnis Anhalt e.V. und der Hochschule Anhalt in Köthen in Präsenz im Hörsaal und virtuell an den Bildschirmen, um im Dialog zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft Impulse für eine Digitalstrategie Sachsen-Anhalt zu geben. Rund 170 Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Politik tauschten sich zu den Themen „KI & Innovation“ und „Digitale Verwaltung“ aus.
Sirko Scheffler – Vorsitzender der Landesfachkommission „Internet und Digitale Wirtschaft“ des Wirtschaft Sachsen-Anhalt und Vorstandsmitglied des Cluster IT Mitteldeutschland e.V. dazu: „Sachsen-Anhalt braucht einen breiten gesellschaftlichen Konsens, der einer gemeinsamen Vorstellung folgt, wie die laufende und noch zu leistende digitale Transformation im ganzen Land vorangeht. Dabei muss die öffentliche Hand auf Landes- und kommunaler Ebene mit gutem Beispiel vorangehen und sehr schnell und zügig das Onlinezugangsgesetz (OZG) und alle folgenden Digitalvorhaben auf Bundes- und Europaebene zügig und schnell umsetzen.
Hierfür steht die heimische IT-Wirtschaft bereit, um schnell und zügig die Verwaltungen mit durchgängigen digitalen Lösungen auszustatten. Die Großansiedlungen im Land, der laufende Strukturwandel und auch die Bewältigung der Folgen des Ukrainekrieges zwingen hier zu schnellem gemeinsamem Handeln. Darüber hinaus muss die digitale Transformation nach dem Prinzip ‚digital first‘ in allen Bereichen nach dem Stand der Technik mit gut ausgebildeten Fachkräften vorangetrieben werden. Schon heute sollte klar sein, dass die Hochschulen im Land mehr Lehrstühle für Informatik brauchen. Das bedeutet, dass Sparmaßnahmen wie bspw. an der MLU Halle-Wittenberg nicht auf die Fachrichtungen, welche eine elementare Basis für die Zukunft bilden, umgelegt werden sollten – im Sinne von stärken statt kürzen. Jedwede andere Entscheidung wäre ein völlig falsches Signal.
Eine Digitalstrategie Sachsen-Anhalt muss die Interessen von Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft in einem ausgewogenen Maße berücksichtigen und diese Anspruchsgruppen bei der Erarbeitung und Umsetzung kontinuierlich einbeziehen.
Der Wirtschaftrat und der Cluster IT Mitteldeutschland stehen hierfür jederzeit als verlässlicher Partner zur Verfügung und haben mit der 13. Digitalisierungskonferenz ein weiteres Mal einen Beitrag zum fachlichen Dialog aller Beteiligten geleistet. Die 14. Digitalisierungskonferenz ist für den November 2022 in Halberstadt gemeinsam mit der Hochschule Harz geplant.“
Mit dabei waren am 11. Mai außerdem hochrangige Referenten und Politikvertreter, unter anderem Bernd Hauschild, Vorstandsvorsitzender Innovationsbündnis Anhalt e.V. und Oberbürgermeister der Stadt Köthen (Anhalt), Bernd Schlömer, Staatssekretär für Digitalisierung im Ministerium für Infrastruktur und Digitales des Landes Sachsen-Anhalt und Beauftragter der Landesregierung für Informations- und Kommunikationstechnologie (CIO), Prof. Dr. Lothar Koppers, Vize-Präsident für Digitalisierung und Internationales Hochschule Anhalt/stellvertretender Vorsitzender der IT- Kommission der LRK des Landes Sachsen-Anhalt, Dipl.-Ing. Marco Brunzel, Vorstand Arbeitsgemeinschaft wirtschaftliche Verwaltung e.V., Lehrbeauftragter Universität Speyer, Vorstand Kommune X.0 e.V., Thies Schröder, Vorstandsvorsitzender Energieavantgarde Anhalt e.V., Geschäftsführer Ferropolis GmbH, Vorstand Forum Rathenau e.V..
Das sagten Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft auf der 13. Digitalisierungskonferenz:
Bernd Schlömer, Staatssekretär für Digitalisierung im Ministerium für Infrastruktur und Digitales des Landes Sachsen-Anhalt und Beauftragter der Landesregierung für Informations- und Kommunikationstechnologie (CIO): „Die digitale Verwaltung ist Kernelement der Digitalstrategie. Bund, Länder und Kommunen stehen derzeit vor der großen Herausforderung der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG). Die Erwartungshaltung an einen digitalen Bürgerservices ist hoch – ihr gilt es gerecht zu werden, denn sonst droht Vertrauensverlust. Die Erarbeitung der Digitalstrategie muss ernsthaft, ambitioniert und mit fester Zielsetzung sein, um mit Lösungen auf die Straße zu kommen, vor allem im Bereich digitales Rathaus. Im Rahmen meiner OZG-Tour durch Sachsen-Anhalt haben wir zusammen mit den Kommunen die anstehenden Herausforderungen beleuchtet: Es gilt eine ebenenübergreifende Zusammenarbeitsstruktur aufzubauen und Schnittstellen zwischen Land und Kommunen zu schaffen.“ Während der Podiumsdiskussion erläuterte Staatssekretär Schlömer den Status Quo: „Die für 2023 festgesetzten OZG-Ziele werden wir nicht erreichen. Die entstandenen Ambitionen und Dynamiken müssen wir daher umso mehr nutzen. Das OZG und die digitale Verwaltung geht jeden (Hauptverwaltungsbeamten) an.“
„Wir haben viele Hausaufgaben zu machen, denn die Voraussetzungen für eine umfassende Digitalisierung sind noch nicht erfüllt. Dringliche Aufgaben müssen gelöst werden, insbesondere im Bereich der IT-Sicherheit. Dieses Thema berührt die Grundfeste eines Hochschullehrers, nämlich die Freiheit von Forschung und Lehre. Bisher haben wir in unseren Systemen erlaubt, was nicht unbedingt verboten war. Mit zunehmender Bedrohung der Netze dürfen wir in unseren Netzwerken nur noch zulassen, was wir wollen. Das ist ein fundamentaler Wechsel“, so Prof. Dr. Lothar Koppers, Vize-Präsident für Digitalisierung und Internationales Hochschule Anhalt/stellvertretender Vorsitzender der IT- Kommission der LRK des Landes Sachsen-Anhalt. „Die Systeme sind heute so komplex. Sie sind gewachsen und wir schleppen kaum mehr nachzuvollziehende Altlasten von vor 25 Jahren mit. Das machen sich Angreifer zu Nutze. Insgesamt gilt: Nach dem Leck ist vor dem Leck. Sicherheitsprobleme in der IT haben massive gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Auswirkungen. Diese Situation ist ein Armutszeugnis für den IT Standort Deutschland – Fachkräfte fehlen überall. Digital Natives – ich nenne sie manchmal Digital Naives – haben zu wenig Bewusstsein über Programmierung. Was will man auch erwarten in einem Land, in dem Informatik an den meisten Schulen kein Pflichtfach ist. Wer hier etwas ändern will, muss den Hebel and der Bildung ansetzen. An der Hochschule werden wir alle Mitarbeiter:innen, gerne auch mit Ausweitung auf die Studierenden, in einem Sicherheitskonzept schulen, um eine Erhöhung der Aufmerksamkeit zu erzielen. IT-Sicherheit ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, denn: Der schwächste Benutzer macht das Angriffstor weit auf. Darum müssen wir uns kümmern!“
Dipl.-Ing. Marco Brunzel, Vorstand Arbeitsgemeinschaft wirtschaftliche Verwaltung e.V., Lehrbeauftragter Universität Speyer, Vorstand Kommune X.0 e.V.: „Um die gewaltigen und gleichzeitig akuten gesellschaftlichen Herausforderungen (Klimaschutz/Nachhaltigkeit, Energiewende/Ressourceneffizienz, Demographie, Digitalisierung, etc.) in Deutschland und Europa in kurzer Zeit flächendeckend bewältigen zu können, rückt die kommunale Ebene aktuell (endlich) wieder stärker in den Fokus entsprechender Innovations- und Transformationsstrategien. Das ist auch überfällig, denn in Zeiten plattformbasierter Technologien und Selfservices brauchen wir die Kommunen nicht mehr als das dezentrale ‚Schalterhäuschen‘ für Formulare und Wegweiser-Informationen durch den Behördendschungel, sondern für deutlich wichtigere und operativere Aufgaben wie der Organisation des klimaneutralen Umbaus unserer Städte und Gemeinden, die Stärkung regionaler Wertschöpfungsketten zur Sicherung von Wohlstand und Beschäftigung sowie die Förderung bürgerschaftlichen Engagements und eines stabilen werteorientierten Gemeinwesens. Auf der Grundlage neuer technischer und rechtlicher Rahmenbedingungen können und sollten wir die Arbeitsteiligkeit im föderalen Mehrebenensystem komplett auf den Prüfstand stellen und neudenken. Die dafür wichtigsten Investitionen sind übrigens nicht die in Technik, sondern die in Menschen – konkret in eine passgenaue Aus- und Weiterbildung vor allem von Bestandsbeschäftigten auf kommunaler Ebene sowie in gute Führung und neue Formen der sinnstiftenden Arbeit und Zusammenarbeit auf allen föderalen Ebenen. “
„Innovation braucht echten wirtschaftlichen Wettbewerb in einem funktionierenden Markt. Die Politik hat eine hohe Verantwortung, den Markt nicht durch falsch eingesetzte Fördermittel zu deformieren“, so Thomas Patzelt, Geschäftsführer TELEPORT GmbH. „Wir müssen im Land ein geordnetes Verfahren etablieren, Innovationen aus der Wirtschaft aufzunehmen und einzuordnen, ohne diese gleich bei öffentlichen Dienstleistern anzusiedeln.“
Prof. Dr. Erhard Rahm, Ko-Direktor Data-Science-Zentrum ScaDS.AI Leipzig/Dresden, Professur für Datenbanken am Institut für Informatik Universität Leipzig: „In Mitteldeutschland gibt es an der Universität Leipzig und der TU Dresden mit ScaDS.AI (Center for Scalable Data Analytics and Artificial Intelligence) ein vom Bund und dem Land Sachsen gefördertes Zentrum zur Spitzenforschung in der Künstlichen Intelligenz. In diesem Zentrum wird auch ein umfassender Transfer der Forschungsergebnisse in wissenschaftliche und wirtschaftliche Anwendungen vorangetrieben, insbesondere in Kooperationen mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen und mit zahlreichen Unternehmen verschiedener Größe. Mit allen Initiativen zur Etablierung eines Großforschungszentrums im (ehemaligen) mitteldeutschen Kohlerevier wurde eine enge Kooperation vereinbart.“
„Der Versuch, die Digitalisierung der Verwaltung als Einzelprojekt im Sinne der online-Beantragung von Verwaltungsleistungen durch die Bürger zu sehen, ist zum Scheitern verurteilt. Notwendig ist die Integration vieler verschiedener Projekte wie die Verwaltungsmodernisierung, die Digitalisierung der internen Verwaltungsarbeit, die Standardisierung, die Entwicklung der Infrastrukturen, die IT-Sicherheit und eben auch die online-Einbeziehung der Bürger“, so Stephan Hauber, Vorsitzender DATABUND e.V., Geschäftsführer HSH Soft- und Hardware Vertriebs GmbH. „Gute Ergebnisse bei der Digitalisierung erreichen wir nur dann, wenn wir den Wettbewerb verschiedener Lösungsansätze und Ideen zulassen. Viel Geld für eine Lösung ist eben keine Lösung.“
Dr. Johann Bizer, Vorsitzender des Dataport- Vorstandes: „Digitalisierung von Ländern und Kommunen ist eine große Herausforderung. Sie ist dringend nötig, um die Leistungsfähigkeit der Verwaltung zu sichern.
Diese Aufgabe kann keiner mehr allein bewältigen: Gemeinsam können wir es besser. Kooperation und Konsolidierung sind Schlüssel zur erfolgreichen Digitalisierung.“
Die Vorträge gibt es unter: https://it-mitteldeutschland.de/digitalisierungskonferenzen/
Bild (Hochschule Anhalt): Marco Langhof, Präsident Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände Sachsen-Anhalt, Daniel Schüler, Vertreter des Jungen Wirtschaftsrates Sachsen-Anhalt, Barbara Splitthoff, Landesgeschäftsführerin Wirtschaftsrat der CDU e.V., Jens Heinrich, Vorsitzender des Vorstandes Cluster IT-Mitteldeutschland e.V., Geschäftsführer ccc software GmbH, Bernd Schlömer, Staatssekretär für Digitalisierung und Landes-CIO, Sirko Scheffler, Landesvorstandsmitglied & Vorsitzender der LFK Internet und Digitale Wirtschaft im Wirtschaftsrat der CDU e.V., Vorstandsmitglied des Clusters IT-Mitteldeutschland e.V., Geschäftsführer brain-SCC GmbH, Merseburg, Moderatorin Viola Heeger, Tagesspiegel (v.l.)