Der Rückgang der Erwerbstätigen und sich verändernde Berufsbilder stellen die Unternehmen im Mitteldeutschen Revier vor zunehmende Probleme bei der Sicherung ihres Fachkräftebedarfs. Um diese zu lösen, braucht es ein länderübergreifendes Fachkräftemarketing und optimierte Weiterbildungsangebote, so die von der Metropolregion Mitteldeutschland veröffentlichte Strukturwandelstudie „Fachkräfteentwicklung 2025+“.
„Die Zahl der Erwerbstätigen im Mitteldeutschen Revier wird – demografisch bedingt – in den kommenden Jahren weiter sinken. Gleichzeitig verändern sich im Zuge des Strukturwandels die Anforderungen der Unternehmen an die Kompetenzen ihrer Fach- und Führungskräfte. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, braucht es sowohl neue Ansätze für ein regionales Fachkräftemarketing als auch eine länderübergreifend abgestimmte Weiterentwicklung der bereits vorhandenen Aus- und Weiterbildungsangebote“, erklärt Henning Mertens, Handlungsfeldmanager „Wertschöpfung und Innovation“ bei der Europäischen Metropolregion Mitteldeutschland. „Mit der jetzt vorlegten Studie „Fachkräfteentwicklung 2025+“ geben wir erste, praxisnahe Handlungsansätze zur zukunftsfesten Fachkräftesicherung in der Region, die es nun im weiteren Dialog mit den beteiligten Akteuren aufzugreifen gilt“, so Henning Mertens weiter.
Die im Rahmen des Strukturwandelsprojektes „Innovationsregion Mitteldeutschland“ durch die Prognos AG und index Research erstellte Studie untersuchte die zukünftigen Bedarfe und Potenziale für Fachkräfte sowie die Stärken und Schwächen bisheriger Strukturen und Strategien der Fachkräftegewinnung im Mitteldeutschen Revier. Auf dieser Basis wurden konkrete Ansätze zur Weiterentwicklung der Fachkräfteaktivitäten in der Region herausgearbeitet. Fachlich begleitet wurde die Studie durch eine Lenkungsgruppe, bestehend aus Vertreter/-innen der Agentur für Arbeit, der Hochschulen, der Kammern, der zuständigen Fachministerien, von Verbänden und regionalen Fachkräfteinitiativen, Gewerkschaften, Bildungsträgern, der beteiligten Gebietskörperschaften sowie des Kooperationspartners Deutsches Jugendinstitut, welches das Projekt „Bildung im Strukturwandel in Mitteldeutschland“ (BiSMit) umsetzt. Darüber hinaus wurden regionale Experten und Akteure mittels einer Online-Befragung, Interviews sowie drei vertiefender Workshops in die Studie eingebunden.
77% der Unternehmen verzeichnen bereits Engpässe bei Fachkräften
Im Rahmen der Studie gaben rund 77 % der 378 befragten Unternehmen an, bereits Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen zu haben. Rund 81 % Prozent rechnen damit, dass sich diese Entwicklung in den nächsten fünf Jahren weiter verschärfen werde. Besonders betroffen davon sehen sich Unternehmen aus dem Gastgewerbe, dem Baugewerbe sowie aus dem Gesundheits- und Sozialwesen. Die größten Engpässe sehen die Unternehmen in Bezug auf Fachkräfte mit einem technischen/gewerblichen Abschluss, gefolgt von den Berufsbildern Fachwirt/-in, Techniker/-in und Meister/-in. Die Besetzung von Ausbildungsstellen fällt vor allem den Wirtschaftszweigen Gastgewerbe, Kfz-Branche und Baugewerbe zunehmend schwer. Neben den berufsspezifischen Qualifikationen steigt branchenübergreifend auch die Nachfrage nach überfachlichen Skills wie Projektmanagement oder Kommunikations- und Teamfähigkeit sowie Kompetenzen im Umgang und bei der Beratung von Kunden. Quer über alle Branchen und Berufsfelder hinweg zeigt sich außerdem eine zunehmende Bedeutung von Aufgaben wie Dokumentation und Administration. Flexibilität und Selbständigkeit landen ebenfalls weit vorne im Ranking der Anforderungen und werden häufig als Grundfähigkeiten für die Adaption an eine sich schnell wandelnde Arbeitswelt genannt.
Fachkräftepotenziale bei Pendlern und Hochschulabsolventen für regionalen Arbeitsmarkt erschließen
Das größte Beschäftigungspotenzial sieht die Studie unter den Menschen, die aktuell noch zur Arbeit in andere Regionen pendeln. Würde es gelingen, diesen Anteil nur um ein Prozent zu senken, stünden zusätzlich über 7.900 Beschäftigte für den Arbeitsmarkt zur Verfügung. Jeweils zusätzliches Beschäftigtenpotenzial im vierstelligen Bereich entstünde auch durch die Reduktion der Teilzeitbeschäftigung bei Frauen und die Reaktivierung von Personen über 55 Jahren für den Arbeitsmarkt.
Ein bedeutendes Potenzial im Bereich potenzieller Fach- und Führungskräfte für die regionalen Unternehmen liegt laut der Untersuchung außerdem bei den Absolvent/-innen der Universitäten und Hochschulen im mitteldeutschen Revier. Von den rund aktuell 65.000 eingeschriebenen Personen verlassen nach Schätzungen zwischen 64 Prozent (Sachsen-Anhalt) und 24 Prozent (Sachsen) nach dem erfolgreichen Studienabschluss die Region.
Neue Chancen durch „Grüne Berufe“ und gezielte Weiterbildungsangebote
Auf Basis der vorgenommenen Ist-Analysen werden im Rahmen der Fachkräftestudie sechs Handlungsfelder benannt, die vielversprechende Ansatzpunkte für eine Strategie zur Fachkräftesicherung im Mitteldeutschen Revier bieten:
- Gewinnung von Fachkräften durch berufliche Ausbildung
- Förderung des Übergangs von Hochschulabsolvent/-innen in den regionalen Arbeitsmarkt
- Rekrutierung externer und interner Fachkräftepotenziale
- Gewinnung und Bindung von Fachkräften durch attraktive Arbeitsbedingungen und -modelle
- Neue Beschäftigungsperspektiven und berufliche Flexibilität durch Weiterbildung
- Attraktivität der Region als Arbeits- und Lebensort
Zu diesen Themen nennt die Untersuchung eine Vielzahl an konkreten Ansätzen zur Weiterentwicklung der bereits vielfältigen Fachkräfteaktivitäten im Mitteldeutschen Revier. Dazu gehören unter anderem flächendeckende und stärker an den Anforderungen der regionalen Unternehmen ausgerichtete Berufsorientierungsangebote an allen Schulen. Die Attraktivität der beruflichen Ausbildung solle durch neue Ausbildungsmodelle wie ein triales Studium gesteigert werden, die schnelle Aufstiegsperspektiven nach dem Einstieg ins Berufsleben versprechen. Darüber hinaus sollen Beschäftigte und Unternehmen besser als bisher zu berufsbegleitenden Weiterbildungsangeboten beraten werden, um Beschäftigten eine leichtere berufliche Neuorientierung in der Region zu ermöglichen. Dazu brauche es zentrale Anlaufstellen zur länderübergreifenden Information, Koordinierung und Vernetzung der vorhandenen Weiterbildungsangebote.
Für die Gesamtregion empfehlen die Autoren außerdem die Entwicklung einer Regionalmarke, die das Mitteldeutsche Revier als attraktiven Lebens- und Arbeitsort stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit bringt. Darüber hinaus sollen junge Menschen im Rahmen einer ‚Grünen Berufsorientierung‘ auf neue Berufsbilder aufmerksam gemacht werden, die im Zuge des Strukturwandels in den Bereichen Klimaschutz und die Energiewende in der Region entstehen und teils schon heute eine attraktive Bleibeperspektive bieten.
Über das Strukturwandel-Projekt „Innovationsregion Mitteldeutschland“
Im Projekt „Innovationsregion Mitteldeutschland“ entwickelt die Europäische Metropolregion Mitteldeutschland mit den Landkreisen Altenburger Land, Anhalt-Bitterfeld, Burgenlandkreis, Leipzig, Mansfeld-Südharz, Nordsachsen und Saalekreis sowie den Städten Halle (Saale) und Leipzig neue Strategien und Projekte für den Strukturwandel in der Region. Das Vorhaben wird im Rahmen der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) durch den Bund, den Freistaat Sachsen, das Land Sachsen-Anhalt und den Freistaat Thüringen gefördert.
Weitere Infomationen
Langfassung der Studie Fachkräfteentwicklung 2025+ (PDF)
Kurzfassung der Studie Fachkräfteentwicklung 2025+ (PDF)
Projektwebseite „Innovationsregion Mitteldeutschland“
Quelle: www.mitteldeutschland.com